Wahrnehmung der Bedrohung und Feindbild
Das Feindbild während des Kalten Krieges war vom Ost-West-Denken bestimmt und umfasste die Staaten des sogenannten Warschauer Paktes. Mögliche Angriffsszenarien wurden im Hinblick auf die Kräfte und Strategien der östlichen Militärbündnisstaaten ausgearbeitet.
Das befürchtete Ernstfallszenario während des Kalten Krieges, das in einem Angriff durch die Staaten des Warschauer Vertrages bestand, führte zu einer angespannten Situation.
Würde in Europa ein Krieg ausbrechen, so die allgemeine Vermutung, wäre die Schweiz vom Kriegsgeschehen mit Sicherheit indirekt, wenn nicht sogar direkt, betroffen.
Ost-West-Denken und Dissuasion
KKdt. a.D. Heinz HäslerMechanisierte Truppen
Die Staaten des östlichen Militärbündnisses verfügten über ein ausgesprochen hohes Einsatzpotenzial an Kampfpanzern. Die stark ausgebaute Panzerwaffe wurde in Verbindung mit der geographischen Lage der Schweiz als Staat mit Grenzen zum ebenfalls bündnisfreien Österreich und den Natomitgliedern BRD, Frankreich und Italien als existente Bedrohung befunden. Besonders die relativ geringen Distanzen zur DDR und CSSR als vorderste Staaten des Warschauer Vertrages fielen dabei ins Gewicht. Ein Einfall mechanisierter und motorisierter Truppen in die Ostschweiz war deshalb ein gängiges Szenario in Übungen und Operationsstudien der Armee.1
Die Bedrohung
Oberst i Gst. a.D. Bruno LezziEinsatz von Nuklearwaffen
In den Planungen der Schweizer Armee und nach Ansicht des Bundesrates wurde ein Einsatz von Atomwaffen in verschiedenen Szenarien für möglich gehalten.1
Als Unterstützung der mechanisierten Truppen bei einem Einfall in die Ostschweiz, wobei durch die Nuklearwaffen Breschen durch die Verteidigung geschlagen worden wären.
Um strategisch wichtige Ziele, wie zum Beispiel Militärflugplätze, auszuschalten.
Im Einsatz gegen die Bevölkerung, als Mittel der Erpressung oder der Demoralisierung. Eine Entwicklung, welche sich in den kriegerischen Konflikten seit dem ersten Weltkrieg abgezeichnet hatte, war der steigende Anteil an Zivilpersonen in der Gesamtzahl der Todesopfer. Aufgrund der Existenz von Kernwaffen schien es nach dem 2.Weltkrieg essentiell, den Schutz der Zivilbevölkerung in einem zukünftigen Konflikt gewährleisten zu können. Der Wunsch nach einem zivilen Luftschutz wurde laut.
Radioaktiver Niederschlag
Eine Respektierung der Neutralität und ein damit verbundenes Ausbleiben einer Verletzung des schweizerischen Territoriums durch alle Kriegsparteien galt als möglich, jedoch wäre dies bei einem Einsatz von Nuklearwaffen in Europa sekundär gewesen. Eine Kernwaffenexplosion im europäischen Ausland hätte für die Schweiz durch den verursachten radioaktiven Niederschlag (eng. "Fallout") eine erhebliche Gefahr für die Bevölkerung bedeutet. Der radioaktive Niederschlag hätte, abhängig von der Windrichtung und Stärke der Explosion, eine erhebliche Strahlenbelastung auf dem Gebiet der Schweiz zur Folge gehabt. Die Zündung einer Atombombe mit einem TNT-Äquivalent von 2,42Mt (Stärke der 1962 auf Kuba stationierten R-12-Raketen) mit Bodendetonation in den Städten Bonn oder Paris hätte unter den entsprechen Windbedingungen radioaktiven Niederschlag bis über Bern verursacht.1
Psychologische Kriegsführung
Besonders in den fünfziger Jahren wurde einer möglichen psychologischen Kriegsführung durch den Feind Bedeutung zugemessen. Ziel einer solchen wäre es gewesen, durch subversive Kräfte Bevölkerung und Armee zu unterwandern und zu demoralisieren. Es bestand die Annahme, dass solche Aktionen bereits in Friedenszeiten ausgeführt würden, was in der eng mit der Landesverteidigung verflochtenen Gesellschaft negative Konsequenzen für politisch Linksgerichtete zur Folge hatte. Die Befürchtung hing vermutlich auch mit dem damals in der Bevölkerung verwurzelten Antikommunismus zusammen.
Mit dem schlimmeren Fall rechnen
In seiner Botschaft zur Truppenordnung 61 formulierte der Bundesrat den folgenden Satz: "Dabei können diese Angriffe mit oder ohne Atomwaffen erfolgen; für die Vorbereitung der Abwehr aber muss mit dem schlimmeren Falle gerechnet werden."1 In dieser Aussage lässt sich eine These erkennen, welche auf viele Bereiche der Vorbereitungen des Kalten Krieges anwendbar ist: Ziel war es nicht, sich auf den wahrscheinlichsten, sondern auf das Eintreten des schlimmsten Falles vorzubereiten, denn würde ein Ernstfall eintreten, läge dessen Ausmass nicht in der Hand der Schweiz.